Weniger überlaufen

Der Reiz der "kleinen Schwestern": Italiens Insider-Inseln

1.4.2024, 07:25 Uhr
Venedigs nahe Verwandte: Insel Burano.

© imago images/Pond5 Images Venedigs nahe Verwandte: Insel Burano.

Italienische Inseln mit all ihren Liebenswürdigkeiten stehen bei deutschen Reisenden hoch im Kurs. Wären da nur nicht diese Menschenmassen! Wir haben uns nach weniger bekannten Alternativen umgesehen, die den Vergleich mit ihren großen Schwestern keineswegs scheuen müssen. Auf zu den kleinen Inseln.

Favignana statt Sizilien

Ganz fair ist der Vergleich auf den ersten Blick nicht, ist doch Sizilien die größte italienische Insel und Favignana eher ein Winzling. Andererseits ist auch sie unter den Ägadischen Inseln die größte. Wer also eine überschaubare, nicht allzu kleine Insel mit klarem Wasser, Sonne und vielseitigem Essen sucht, findet auf Favignana sein Paradies.

Bei einem Bummel durch die arabisch inspirierte, verwinkelte Inselstadt können Besucher neben der Thunfischfabrik Tonnara samt dazugehöriger Fabrikantenvilla vor allem den ganz besonderen Charme des kuscheligen Ortes erleben. Da ist zum Beispiel der blumenumrankte Madonnenaltar oder die Kirche der "Unbefleckten Empfängnis" auf der Piazza Matrice Favignano.

Himmelblaue Aussichten auf der Insel Procida am Kloster San Michele Arcangelo.

Himmelblaue Aussichten auf der Insel Procida am Kloster San Michele Arcangelo. © imago images/Bridgeman Images

Ansonsten gilt: gemütliches Treibenlassen durch schmale Gassen und ein Cappuccino oder Eis auf der Piazza Europa. Wer gerne Malediven-Feeling im glasklaren Wasser genießen möchte, besucht einen der Inselstrände. Cala Rossa, Cala Azzurra und Cala Rotonda laden Sonnenhungrige zum Baden und Schnorcheln ein. Und sobald die Sonnenstrahlen länger werden, geht‘s "Quello Che C‘è C‘è...". Das Restaurant macht seinem Namen alle Ehre: "Was da ist, ist da" klingt zunächst zwar etwas harsch; zum Glück für die Besucher ist jedoch reichlich da. Besonders gut schmeckt der Thunfisch mit Pistazien.

Procida statt Capri

Bonbontüte vom Golf von Neapel wird die quietschbunte kleine Insel auch genannt. Ganz richtig ist das nicht, denn es gibt durchaus auch zarte Pastelltöne in der viel fotografierten Häuserreihe an der Hafenpromenade. Weit weniger Touristen finden den Weg nach Procida als ins benachbarte Capri. An der mangelnden Italianità kann‘s nicht liegen. Vielleicht fehlt der Glamourfaktor?

Am Hafen flicken Fischer ihre Netze. Grüppchen von Frauen stehen mit Einkaufstaschen vor Geschäften, die Arme in die Hüften gestützt und tauschen den neuesten Klatsch aus. Katzen räkeln sich auf sonnengewärmten Steinen - alles wirkt beschaulich und friedlich. Wenn dann noch eine klapprige Vespa mit einer Kiste frischem Fisch auf dem Rücksitz vorbeiknattert, glaubt man, in einem Filmset der 1960er-Jahre gelandet zu sein. Tatsächlich ist die kleine Insel wegen ihrer Ursprünglichkeit Schauplatz so manchen Films.

Beispielsweise wurde am Strand Pozzo Vecchio der Romantikklassiker "Il Postino" gedreht. Vielleicht war auch dies ein Grund für Procida als italienische Kulturhauptstadt 2022. Nach einem Bummel oder Strandtag haben Leckermäuler die Qual der Wahl zwischen lauschigem Essen unter duftenden Zitronenbäumen im "La Pergola" oder direkt am Wasser im "La Gorgonia". Dort gibt‘s zwar keine Zitronenbäume, dafür aber wunderbaren Insalata di Limone, einen Zitronensalat mit kleinen Zwiebelchen.

Ponza statt Sardinien

Wer von Bootsauflügen und Baden in lauschigen Buchten träumt, aber weniger Lust auf Promirummel und überteuerte Preise hat, ist auf Ponza genau richtig: statt Costa Smeralda einfach nur klares Wasser, gutes Essen und viel mehr echtes Italien.
Das bunte Eiland im Tyrrhenischen Meer zählt zu den Pontinischen Inseln und ist wegen ihres besonders klaren Wassers ein Schnorchel- und Taucherparadies. Als schönste Strände gelten "Chiaia di Luna", geschützt von einer weißen Tuffsteinwand, und die Bucht "Cala Feola". Weiter entfernte und schwerer zugängliche Buchten können bei einem Tagesausflug per Boot erkundet werden. Im Hafen gibt es zahlreiche Anbieter, aber auch für private Bootscharter. Es muss ja keine Yacht sein.
Insgesamt hat Ponza sich einen gemütlichen Rhythmus bewahrt. Protzige Yachten finden sich dort selten.

Obwohl es auf den zwei Ebenen entlang des Hafens viele Geschäfte gibt, sucht man die Parade internationaler Luxusmarken dort vergebens. Dafür gibt es Luxus für die Augen beim Sundowner. Wer Glück hat und einen der Tische an der Hafenmauer der "Bar dei Pesci" ergattert, genießt einen herrlichen Blick über den Hafen und die bunten Häuserfassaden.

Kein Wunder, dass Ponza der Sage nach die Heimat der Zauberin Circe war, die schon Odysseus verzaubert hat. Bei einem Essen im "Ristorante La Campanella" mit Blick aufs Meer ist dann endgültig klar: Circe übt ihren Zauber immer noch aus.

Giglio statt Elba

Smaragdgrünes Meer, viel unberührte Natur und eine betörende Mischung aus Farben und Gerüchen machen aus der Insel vor der toskanischen Küste ein wahres Kleinod, das es zu entdecken gilt. Dabei geht es nicht um das zunehmend vom Massentourismus heimgesuchte Elba, sondern um das viel kleinere Giglio. Für Wanderer ist die Insel mit ihren zahlreichen Touren, die durch duftende Macchia und bunte Blütenmeere und vorbei an spektakulären Panoramaaussichten führen, ein Paradies.

Knapp 30 Routen aller Schwierigkeitsgrade gibt es inzwischen auf der wenig besiedelten Insel. Einige davon sind alte "Mulattiere", Eselswege, auf denen die Einheimischen sich zwischen den Orten bewegt haben.

Wer meint, an einem verlassenen kargen Ort gelandet zu sein, wird in Giglio Porto eines Besseren belehrt. Der einzige Hafen der Insel ist malerisch und wuselig, wie man ihn sich vorstellt. Enge, quirlige Straßen werden von bunten Häusern mit Cafés, Restaurants und Eisdielen gesäumt. Etwas ruhiger geht‘s in Giglio Castello zu, das sich hoch auf dem Berg in 405 Metern Höhe erhebt.

Dort hat sich scheinbar seit Jahrhunderten nichts verändert und auch der hektischste Urlauber verfällt in einen gemächlicheren Inselrhythmus. Immer noch kein Insel-Feeling? Dann nichts wie hin zum Strand. Campese, Cannelle und Arenella heißen die bekanntesten. Abends geht‘s zum Ausklang auf die Terrasse des Restaurants "La Vecchia Pergola". Mit Blick auf den Hafen schmecken die fangfrischen Meeresleckereien gleich noch besser. Und spätestens dann kehrt Ruhe im Herzen ein.

Burano statt Venedig

Seit Jahren ächzt die Lagunenstadt unter der Besucherlast. Von Kreuzfahrtdampfern geplagt und von Tagestouristen heimgesucht, kämpft die Insel im wahrsten Sinne des Wortes ums Überleben. Warum nicht einmal die kleine, nicht weit entfernte Verwandte Burano besuchen? Die leuchtend bunten Häuser der Nachbarinsel nordöstlich vor Venedig ragen wie eine Malerpalette aus dem glatten Gewässer. Als Orientierung für Fischer in den oft nebelverhangenen Gewässern der Lagune sollten die kunterbunten Häuser einst dienen. Fotografen bietet ihre Spiegelung in den Kanälen einen schier unerschöpflichen Quell an Motiven.

Mittlerweile bietet auch der Turm der Inselkirche San Martino eine unverwechselbare Orientierung. Er ist nämlich schief geworden, angeblich sogar schiefer als der berühmte Bruder in Pisa. Dafür ist im Inneren eine aufwendige Kreuzigungsszene des venezianischen Barockkünstlers Giovanni Battista Tiepolo zu bewundern. Außer der Farbenpracht seiner Häuser ist Burano vor allem für seine zierlichen Stickerei- und Klöppelarbeiten bekannt, für die die Fischerfrauen Zeit und Muße haben, während die Männer auf dem Wasser sind. Zu bestaunen und kaufen gibt es die Kunstwerke, ebenso wie zierliche Glaskunst von der Nachbarinsel Murano, bei einem Bummel durch die Hauptstraße Via Baldassare Galuppi.

Wer von so viel Abwechslung fürs Auge Hunger bekommen hat, geht abseits der Hauptstraße ins "Gatto nero" und lässt sich an einem ruhigen Kanal - natürlich gesäumt von bunten Häusern - bei sanft perlendem Haus-Prosecco mit einem Risotto verwöhnen. Mehr dolce vita geht fast nicht mehr.


Weitere Informationen:

Favignana: Anreise nach Favignana am besten über Trapani. Für Autofahrer steht die Autofähre zur Verfügung, alle anderen mieten sich ein Mofa oder ein Leihauto auf der Insel.
Ristorante Quello Che C'è C'è..., Via Giuseppe Garibaldi, 38, 91023 Favignana, Italien, Tel. 0039/0923/567699.

Procida: Zur autofreien Insel Procida kann man von Neapel (Molo Beverello) und von Pozzuoli aus mit der Fähre fahren.
Ristorante La Pergola, Via Salette, 10, 80079 Procida, Italien, Tel. 0039/081/8969918;
Ristorante La Gorgonia, Via Marina di Corricella, 50, 80079 Procida, Italien, Tel. 0039/081/8101060.

Ponza: Fähren und Tragflügelboote nach Ponza legen von Neapel, San Felice Circeo, Terracina, Formia und Anzio ab. Im Sommer ist das Autofahren auf Ponza nur Einheimischen erlaubt. Das Auto kann auf einem bewachten Parkplatz am Abfahrtshafen abgestellt werden.
Bar dei Pesci, Piazza Carlo Pisacane 9, 04027 Ponza, Italien;
Ristorante La Campanella, Via Forna Grande, 04020 Le Forna, Ponza, Italien, Tel. 0039/339/8540887.

Giglio: Die Fähre zum Giglio fährt von Porto Santo Stefano (Monte Argentario) ab.
La Vecchia Pergola, Via Thaon de Revel, 30, 58012 Isola del Giglio, Italien, Tel. 0039/0564/809080.

Burano: Die Insel ist autofrei. Anreise mit Wasserbussen oder Privattaxi vom Flughafen Venedig.
Il Gatto nero, Via Giudecca, 88, 30142 Venezia, Italien, Tel. 0039/041/730120, www.gattonero.com.

Die Autorin reiste ohne Unterstützung touristischer Anbieter.

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